Franz Josef König und sein Sohn Karl August König

Briefpapier von Karl August König mit einer Abbildung des Kapitols in Washington
StadtA GD, A3 Nr. 2834

Der Gmünder Silberschmied Franz Josef König wanderte 1849 aus wirtschaftlichen Gründen und mit Unterstützung der Hospitalpflege nach Amerika aus. Seine Frau Franziska starb während der Überfahrt, ebenso sein jüngster Sohn Wilhelm. Ein weiterer Sohn, Karl August König, lebt wie er in New York.

Der Sohn, Karl August König, schreibt 1868 aus New York an seinen Onkel. Er berichtet von der neuen Sprache der Familie sowie der Religion in Amerika.

Bereits kurz nach ihrer Auswanderung hatte sein Vater, Silberschmied Franz Josef König, von der Überfahrt und der Ankunft in New York berichtet, aber auch von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie in Amerika.

StadtA GD, A3 Nr. 2834

New Jork den 22. Februar 68

Lieber Onkel!

Ihren Brief habe ich erhalten und wieder einen andern geschrieben, worüber ich aber keine Nachricht erhalten habe. Deßwegen schreibe ich auch nochmals. Habt Ihr meinen Brief nicht erhalten, so will ich wieder von vorn anfangen. Daß meine Mutter auf der See gestorben ist, habt ihr erfahren. Welcher Schmerz für uns Kinder kann ich nicht schreiben. Mein Vater heirahtete wieder, und was war es, wir Kinder mussten fort unter fremte Leut. Könt euch denken, da ich der älteste war, so mußte ich sorgen vor [für] meine zwei Schwestern. Sie kamen zu Amerikaner, wo sie zwar in die Schule gingen, aber kein deutsch lernten sie nicht. Somit können wir Kinder nicht deutsch lesen noch schreiben. Ich habe meine Muttersprach so zimlich behalten. Also hätte ich eine Bitte an Sie, lieber Onkel, sollten Sie der englische Sprache mächtig sein: mir in englisch einen Brief zu schreiben, daß ihn meine Schwester selbst lesen können. Jedes von diesen Mädchen mußte sich verpflichten, biß zu 18 Jahr zu stehen. Jetzt könnt Ihr euch denken, welche Aufgabe mir bevorstand. Ich habe das Tabezirn gelernt und Anstreichen, welches mir so viel gebracht hat, daß ich konnte meine Schwestern unterstützen, den von ersparen ist keine Rede. Die eine braucht bald diß und die andere das, wo ich nicht so genau schreiben kann, es würde mir zu viel Zeit nehmen. Mithin ist die Marie die Jüngste und bekomt jetzt Lohn, aber noch nicht lang. Natürlich, heirahten kann ich gar nicht denken, so lang ich noch sorgen mus und kein Geld habe ich auch nicht. Denn wenn der Mensch will ehrlich durchkommen, besonders zu der jetzigen Zeit, wo alles so theuer ist. Lieber Onkel, mein Vater verdinte ein schönes Geld, aber seine Frau hat alles verbraucht. Sie ist jetzt auch gestorben und soviel ich weis noch im Spital. Keinen Kreuzer haben wir bekommen von meinem Vater, nicht zu Lebzeiten, viel weniger nach seinem Tode. Ich möchte euch gern besuchen, um einmal mündlich mit euch zu sprechen. Aber ich habe kein Geld. Somit mus ich bleiben, wo ich hingebannt worden bin. Für meine Zukunft habe ich gar keine Ausicht, denn wie gesagt der Mensch denkt und Gott lengt.

Auch wollten Sie wissen, was wir wegen der Religion gelernt haben. Wir Kinder mußten gehen in diese Kirche, wo die Herrschaft belangs thu [belongs to?], denn die Amerikaner sind sehr religiös. Doch abgesehen davon, ich denke, wenn blos die Katolike in Himmel kommen sollen und der Rest von den vielen Sekten, dann komen wir Geschwister darneben. Unsere Schult ist es nicht, nachholen können wir nichts, weil [es] keine Amerikanische Katolische Kirche gibt, sondern bloß Deutsche, zumal wir keine deutsche Schule besucht haben. Geistliche gibt es keinen Mangel, sie thun hier sehr gut ausmachen, weil viele Irrländer hier sind, die Mehrzahl Kattolike. Von Beicht und Komunion ist bei uns keine Rede gewesen, somit möchte ich mein Vaterland wieder sehen, um [her]auszufinden, was zu machen ist. Alles was wir thun können, ist rechtschaffen zu leben, Gott im Augen und Herzen haben, nichts Unrechtes thun, so wird Gott, wenn er uns einst abruft von dieser Welt, gnädig sein.
Schreibt mir auch, ob ihr alle gesund seid, das ihr keinen Mangel habt, habe ich in eurem Brief gelesen, es freute mich sehr. Es ist was Hartes, wenn man die ganze Woche arbeit und muß alles weggeben, nur um seinen körperlichen Leib zu befriedigen. Gesund sind wir Gott sei Dank jetzt alle, aber die Marie war immer sehr viel krank und hat viel gekostet. Mit der Pauline ist es etwas besser gegangen.

Nun lebet wohl, wir grüßen Euch alle herzlich

Karl August König

baldige Antwort.

New-York der 22. July 1849

Werthester Herr Schwager!

Obwohl ich kürzlich an meine Mutter und Schwester geschrieben habe und dieselbe von den Vorfällen meiner Reise unterrichtete, auch sie bath, Ihnen davon Nachricht zu geben, so will ich doch eine sich mir darbietende Gelegenheit nicht versäumen, Ihnen meine gegenwärtige Lage und Verhältnisse mitzutheilen.

Wie Sie aus Gegenwärtigem ersehen, konnte ich meinen Plan, nach Buffalor [wohl Stadt Buffalo, im Staat New York] zu reisen, nicht ausführen, da meine Mittel dazu nicht ausreichten, weil mir zu dieser Reise noch wenigstens 40 f [40 Gulden] nöthig wären. Es wird aber hier allenthalben behauptet, daß die Geschäfte im Innern von Amerika noch schlechter gehen als hier. Seit die Vereinigten Staaten bestehen, soll das Geschäft noch nie so schlecht gegangen haben wie gegenwärtig. Eine Ursache, warum auch ich noch unbeschäftigt bin. Die Cholera, die in ganz Amerika herscht, die große Überschwemmung, die im Süden stattfand, und die Verhältnisse Europas verursachen diese Stokung. Es soll zwar jedes Jahr in den heißen Monaten das Geschäft etwas stiller gehen als gewöhnlich, jedoch nicht in dem Maase wie dieses Jahr. In Europa wird behauptet, daß wenn einer nur arbeiten wolle, er in Amerika gleich Arbeit finde. Es ist dies möglich bei Leuten, die ins Innere des Landes reisen können. Wie viele kommen aber hieher, denen die Mittel fehlen, es ausführen zu können, wie dies auch bei mir der Fall ist. Ich lebe wirklich mit meiner Familie auf Credit. Habe ich Arbeit, so bezahle ich wieder, denn es wird unser Geschäft als eines der besten hier betrachtet und ein Arbeiter, der große Arbeiten zu machen versteht, verdient wöchentlich 10 bis 12 Thaler, auch mehr, was nach unserem Geld 25-30 f [25-30 Gulden] ausmacht. Allerdings ist hier auch alles theurer, namentlich die Hausmiethe. Aber man hat dennoch Aussicht eher zu etwas zu kommen als in Deutschland, und ich wünsche mich keinesfalls wieder zurück, obwohl ich einer von denen bin dem das Schicksal keinesfalls günstig ist und ich in den traurigsten Verhältnissen lebe.

Es war der Zweck meines Schreibens eigentlich der, Ihnen meinen Trauerfall zu berichten. Wir reisen am 9ten Mai unter den dürftigsten Verhältnissen und mit den beschränktesten Mitteln von Amorbach ab, und hätte Hr. Hofrat Wagner nicht eine Collecte für uns veranstaltet, unsere Abreise wäre unmöglich gewesen, denn die Herren in Gmünd kennen die Bedürfnisse einer so weiten Reise eben so wenig wie jeder andere, der dieselbe noch nie gemacht hat.

So wurde es uns durch gute aber fremde Menschen möglich gemacht, die Reise antretten zu können. Wir waren alle wohl, besonders meine seelige Frau fand viel Vergnügen an der Fahrt auf dem Dampfboot, sowie an der herrlichen Gegend, die wir durchfuhren. In Aschaffenburg blieben wir über Nacht, kamen am 10. nach Mainz, am 11. nach Cöln, fuhren von da aus mit der Eisenbahn nach Antwerpen über A[a]chen, Herbesthal, Lüt[t]ich pp. und kamen abends um 5 Uhr in Antwerpen an, eine Weegstreke von 96 Stunden in nicht ganz einem Tag. Den 13. als am Sontag blieben wir in Antwerpen und besahen diese herrliche Stadt mit den schönen Kirchen. Am 14. reisten wir per Eisenbahn nach Gent, um dort eingeschift zu werden, Gent eine sehr lebhafte schöne Stadt mit ausgezeichnet schönem Bahnhof. Eigenes Leben und Treiben bei der Einschiffung. Wir hatten die Plätze 1 und 2. Unser Schiff war ein Amerikaner, Mary Rundlett [die Bark "Mary T. Rundlett" von Gent nach New York], nicht groß, aber hübsch gebaut, Passagiere 124. Den 15. fuhren wir ab, wurden durch Pferde aus dem Kanale gezogen, paßierten abends bey Turneis (holländische Festung) die Schleiße [Schleuse bei Tournais] und kamen auf die Schelde oder englischen Canal, allwo wir bis zum 19. mittags 2 Uhr vor Anker lagen. Jetzt wurden die Anker gelichtet, die Segel gespannt und unser Schiff schwam ruhig durch die Wellen. Der 20. war der erste Sonntag zur See, er wurde ruhig gefeiert und unser Schiff ginng nur langsam, wir hatten wenig Wind. Montag den 21. war es unruhiger, der Wind ginng etwas stärker, aber wiedrig, in der Nacht darauf stürmisch. Die Seekrankheit stellt sich allgemein ein. Hier, lieber Herr Schwager, muß ich bemerken, daß bis auf die Stunde meine Seelige sowie mein Wilhelm trotz den vielen Mühen und Sorgen wie auch den vielen Verdrüßlichkeiten, welch Erstere zu erdulden hatte, besonders von ihrer Seite, sich dennoch wohl befanden. Am 22. aber wurden auch sie unwohl, wir alle lagen. Doch meine sellige Frau und Wilhelm litten am meisten. Die Krankheit nahm schnell zu und mein Wilhelm endete nach einer mir kummervollen Nacht den 23. morgens um 7 Uhr sein junges Leben. Er war 1 Jahr 10 Monate 20 Tage. Der Tod dieses Kindes trug auch viel bei zu dem Tode meines geliebten Weibes, schon Mittags sagte sie mir, sie müßte sterben, tröstete mich in meiner Verzweiflung, was ihr aber nicht gelingen konte. Sie wurde immer schwächer, den das immerwährende Erbrechen und Abweichen lies nicht nach. So kam die Nacht, sie wollte um 12 Uhr aufs Verdek gebracht sein, was aber der Kälte wegen nicht zugegeben werden konte. Länger aber als bis 3 Uhr konte sie nicht gehalten werden. Wir trugen sie aufs Verdek, aber ach! Gott, in welchem Zustande, sie konte kein lautes Wort mehr reden, ohnmächtig lag sie da auf dem Verdek, der Capitan wurde gewekt. Jetzt erst sah er die Gefahr und trug sie in die Cayütte für Passagiere. Er wendete alles auf, es war aber zu spät. Sie wurde immer weniger, um 9 Uhr sah sie mich und ihre Kinder nicht mehr, konte nichts mehr reden, nur mit der Hand adje sagen, o jammervoller Anblik für mich. Um ½ 12 Uhr nahm sie der Allbarmherzige zu sich. Sie verschied ruhig und sanft. Sie hat alle Sorgen und Mühen überstanden und der im Himmel hat sie gewiß bei sich, denn sie war ja so gut. Ich verlor mein Alles, der Verlust ist mir unersetzlich, jetzt erst fühle ich was ich verlor, doch der gütig Vater wird auch mir beistehen. Nachts 12 Uhr wurde sie versenkt, in Segeltuch gewikelt und der Kopf mit einem rothen wollenen Schwal umbunden, ohne weitere Ceremonie. Nur ein stilles Gebeth verrichtete der Capitan in Gegenwart 2er Zeugen. Ich durfte nicht zugegen sein. Der Capitän selbst versenkte sie, nach ihr die Betten, auf denen sie lag, den sie hatte die Cholera wie es nachher hies, ich glaube es aber nicht. Ihr Körper war zu angegriffen. Der Herr lasse sie seelig ruhen. Bethen Sie und die Ihrigen für sie. Es ist alles, was Sie noch tun können. Geben Sie es den beiden Kindern zu Herzen, daß sie ihre Mutter so gleichgültig scheiden liesen ohne nur ein Lebewohl zu sagen, aber diese haben das 4te Geboth vergeßen oder noch nie gekannt.

Ich war von dem Tode meiner geliebten, theuren Gatin [an] noch vierzig Tage auf dem Wasser. Hatte natürlich immer mit Kochen, Waschen und meinen Kindern vollauf zu thun. So verginng ein Tag in Trauer und Einförmigkeit nach dem andern. Ich allein hatte solch herben Verlust zu erleiden, ich war der am meisten Heimgesuchte. Am 1. Juli abends sahen wir Land. Die Freude aller war groß. Mich allein konte es nicht freuen. Den 2. Juni fuhren wir in Golf von New-York. Das war etwas Erhebendes, diese schöne Gegend, das Prächtige überall. Nur auf mich machte es keinen Eindruk, denn diejenige die alle ihre Hoffnungen auf dieses Land setzte, der Tod hat sie mir entrißen. O! Schöpfer warum hast du mich so hart geprüft. Abends kamen wir an der Stadt New York an. Es wurde Anker geworfen. Der Golf, der prachtvollste (er soll noch schöner sein als der von Neapel) der Welt, ist 5 Stunden lang, führt an den schönsten Anlagen vorüber und den erhabensten Gebäuden.

Man fährt an tausenden von Schiffen jeder Art und Größe vorüber und das Auge des sich Freuenden ergötzt sich mannigfaltig. Hat er aber erst das Land seiner Idee betreten, wie bitter teuscht er sich. New-York ist sehr schön aber zu bevölkert. Die Frauenzimmer machen hier ihr Glück. Die geringste Magd hat monatlich 4-6 auch noch mehr Dollar oder wie es hier heißt Taler, a. 2 f 30 kr [2 Gulden 30 Kreuzer], Kost, Logie und Wasch. Wenn eine englisch spricht, bekommt sie ungleich weiter. Könnte ich englisch, ich wäre auf einem der ersten Plätze in unserem Geschäft. Deshalb bitte ich Sie, lassen Sie Theodor englisch lernen. Wenden Sie nichts für ihn auf, er soll hierher kommen, ich will ihn unterbringen. Leute seines Alters werden gut versorgt und verdienen gleich Geld. Was Sie drausen auf ihn wenden, ist hinausgeworfen. Auch die Emilie soll englisch lernen. Ich habe meiner Schwester geschrieben, sie soll kommen. Durch diese werden sie auch ein Gedicht erhalten, das von einem meiner Schiffsfreunde auf den Tod meiner Gattin und meines Kindes mir geweiht wurde.

Sie wissen nun so ziemlich das Nötigste, und sollten Sie mir in Beziehung auf Theodor oder Emilie etwas mitzuteilen haben, so ist die Adreße beigefügt. Und leben Sie wohl und grüßen Sie mir alle vielmal, wie auch wir Sie alle vielmal grüßen, und ich verbleibe Ihr

Ergebener F.I. Koenig Silversmith

Sollte Ihnen meine Schwester von einem Heiratsverhältnis schreiben, so diene Ihnen zur Nachricht, daß es sich aufgelöst hat. Das Frauenzimmer passt nicht für mich. Ich werde suchen, meine Kinder wo anders zu versorgen, bis meine Verhältnisse sich anders gestaltet haben. Denn nur den Kindern zu lieb würde ich es wagen, nochmals zu heiraten.

 

[Transkription unter Benutzung von: Johannes Schüle, Auswandern. Schwäbisch Gmünder Auswanderer und ihre Briefe in die Heimat, Schwäbisch Gmünd 2010.
Erläuterungen/Ergänzungen in eckigen Klammern, Satzzeichen sowie Groß- und Kleinschreibung zur Erleichterung des Leseflusses angepasst]

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