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29. Mai 2024
Schleich: OB Arnold kämpft um Standort
Schwäbisch Gmünd (sv). Der Gmünder Oberbürgermeister kämpft weiter um den Standorterhalt des Traditionsunternehmens Schleich und mahnt dazu nun auch nochmals den Chef des inzwischen fast 90jährigen schwäbischen Betriebs und Imageträger für das gesamte Land, die Regierung in Stuttgart und die Gmünder Landtags- und Bundestagsabgeordneten in einem Schreiben.
Der Rathauschef bietet dem Schleich-CEO Stefan de Loecker nochmals konstruktive Gespräche an:
"Es ist verständlich, dass Sie als neuer CEO wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der Firma Schleich vornehmen müssen, Ihre Schlussfolgerungen und Einschätzungen, wie die Veränderungen vorgenommen werden sollen, teile ich allerdings nicht.
Der von Ihnen beschriebene Weg fußt insbesondere auf einer Überprüfung der gegenwärtigen Kostenstruktur. Den größten Block nimmt nach Ihren Aussagen der Personalkostenanteil ein. Hier kann ich nicht nachvollziehen, dass ein Umzug nach München diesen ertragssteigernd beeinflussen soll. Vielmehr wäre hier aus meiner Sicht zu überlegen, ob eine Schließung von München und eine Stärkung von Schwäbisch Gmünd-Herlikofen nicht der erfolgsversprechendere Weg wäre.
Gleichzeitig will ich mit Nachdruck auf die in Schwäbisch Gmünd vorhandenen Synergiemöglichkeiten aufmerksam machen. Hier scheint mir noch viel Potential zu liegen. Ein Beispiel hatte ich Ihnen genannt: die Firma Chocal aus Schwäbisch Gmünd wurde unlängst mit dem SPC Innovator Award, dem Oscar der Verpackungsbranche, für ihre nachhaltigen Verpackungslösungen ausgezeichnet. Innovative und nachhaltige Verpackungen müssten Schleich doch interessieren.
Weiter haben wir im Gmünder Netzwerk sehr innovative und erfolgreiche Firmen wie Wempe, Tonies, Qlocktwo, Richter lighting technologies und Persönlichkeiten wie Prof. Braungart, den Ideengeber der Cradle-to-Cradle-Kreislaufwirtschaft von der Hochschule für Gestaltung sowie Prof. Kaßner vom Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie für neuartige naturnahe Materialien und Oberflächengestaltung. Das sind Perlen in der Provinz, die für „worldwide success“ stehen. Von denen kann man m.E. lernen.
Die Tradition der Firma Schleich ist mit dem Standort Schwäbisch Gmünd fest verbunden und hat immer von den bei uns traditionsreichen Gestaltungsprofis der Hochschule für Gestaltung und dem Know-How aus der Gold- und Silberbranche profitiert. Die Region in und um Schwäbisch Gmünd zeichnet sich zudem als eine der besten Werkzeugmacherregionen aus. Eine Verlagerung würde diese Wurzeln, die untrennbar mit dem Standort Schwäbisch Gmünd verbunden sind, dauerhaft kappen. Macht das Sinn? Ist das wirklich gewollt? Gerne möchte ich Ihnen anbieten, dass wir Ihnen als Stadt immer gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen, um den Standort Schwäbisch Gmünd zu erhalten. Sie können mich dazu jederzeit kontaktieren."
In einem Schreiben wendet sich Richard Arnold außerdem an die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut:
"Schleich ist ein typisch schwäbisches Unternehmen mit einer fast 90-jährigen Tradition und als Hersteller von detailgetreuen Spielfiguren mit hoher Präzision ein Imageträger für das ganze Land. Ich stelle immer wieder fest, dass mir die Schleichfiguren fast an allen Flughäfen der Welt begegnen und dort auch auf eine große Beliebtheit stoßen. Die Firma beschäftigt derzeit am Standort Schwäbisch Gmünd 241 Menschen, die mit großer Leidenschaft die Marke in den letzten Jahren sehr erfolgreich nach vorne getrieben haben. Seit 2013 konnte Schleich auf ein im Durchschnitt zweistelliges Wachstum pro Jahr zurückblicken, lediglich von 2022 auf 2023 wurde nun ein Umsatzrückgang von 14,9 % festgestellt.
Die Firma gehört inzwischen dem Schweizer Private Equity Fonds „Partners Group“ und hat wohl als erste Maßnahme im letzten Jahr die Geschäftsführung ausgetauscht. Der neue Geschäftsführer Stefan De Loecker war nun am 28.05.2024 bei mir und hat mich über die vorgesehenen Maßnahmen unterrichtet, bevor er anschließend den Betriebsrat informiert hat.
Herr De Loecker beabsichtigt, die Standorte Schwäbisch Gmünd und München an einem Standort in München zu konsolidieren. Dort arbeiten bisher rund 50 Mitarbeiter. Diesen Standort will er nun auf 125 Mitarbeiter ausbauen und den Beschäftigten aus Schwäbisch Gmünd ein Angebot machen, dass sie künftig in München Ihrer Arbeit nachgehen können. Zudem will er umfassend outsourcen, beginnend mit dem Bereich Shared Services (Buchhaltung, IT etc.), die er nach Prag vergeben will. Auch dort bestünde für die Mitarbeiter aus Schwäbisch Gmünd eine Möglichkeit unterzukommen. Das Outsourcen umfasst daneben noch den Bereich des Werkzeugbaus, eigentlich eine Kernkompetenz unserer Raumschaft und den Bereich Logistik, den er direkt von einem Externen durchführen lassen will. Die in Schwäbisch Gmünd vorhandenen Liegenschaften will er nach dem Stellenabbau, der bis zum 31.12.2024 vollzogen sein soll, verkaufen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Schwäbisch Gmünd braucht Ihre Unterstützung! Mit dem Traditionsunternehmen Schleich würde ein wesentlicher Imagefaktor den Standort Baden-Württemberg verlassen. Ich schlage daher vor, dass Sie sich persönlich vor Ort ein Bild über die Situation machen, und mit den betroffenen Mitarbeitern und der Geschäftsführung in den Austausch gehen. Der Betriebsrat braucht Unterstützung und würde gerne der Geschäftsführung einen Gegenvorschlag unterbreiten."
Für eine entsprechende Unterstützung wendet sich der Gmünder Oberbürgermeister darüber hinaus an die Abgeordneten in Bund und Land:
"Wie Sie sicherlich bereits erfahren haben, hat die Firma Schleich gestern angekündigt, ihren Firmensitz zum 1. Januar 2025 von Schwäbisch Gmünd nach München zu verlegen. Gleichzeitig soll im tschechischen Prag ein Shared Service Center neu gegründet werden. Welches Beben diese Ankündigung in Schwäbisch Gmünd ausgelöst hat und was dies für die 241 Mitarbeitenden und deren Familien bedeutet, ist nur schwer in Worte zu fassen.
Mich als Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd wie auch die Bürger in unserer Stadt macht diese Entscheidung fassungslos - bedeutet sie doch das Aus für die Traditionsmarke an ihrem bisherigen Stammsitz. Genau dort, wo dieses bis dato höchst erfolgreiche Unternehmen 1935 gegründet wurde. Mir fehlt jegliches Verständnis für diese Entscheidung und die hierfür vorgebrachten Argumente. Schließlich war es der Standort Schwäbisch Gmünd, der es der Firma Schleich vor 2023 erlaubt hat, viele Jahre nacheinander Umsatzrekorde zu erzielen und sich zu einem der größten deutschen Spielwarenhersteller zu entwickeln.
Dies gelang nicht zuletzt mit den hier ansässigen, hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern und den guten logistischen Bedingungen, die hier am Standort geschaffen werden konnten. Dass nun ausgerechnet mit München einer der teuersten Standorte in Deutschland überhaupt und im tschechischen Prag die Voraussetzungen für ein „nachhaltiges Wachstum“ geschaffen werden sollen, ist mehr als zweifelhaft. Schließlich bietet Schwäbisch Gmünd mit seinem innovativen Firmenumfeld, als Cluster der Kreativwirtschaft, mit seinen zahlreichen Fachkräften und mit seinem gegenüber München deutlich niedrigerem Lohnniveau sicherlich ebenso gute Voraussetzungen, um die Marke Schleich durch Innovationen und Internationalisierung gewinnbringend voranzutreiben. Es sind also nicht nur Traditionsbewusstsein und Verantwortungsgefühl, sondern auch klare und eindeutig unternehmerische Argumente, die Schwäbisch Gmünd selbstbewusst in den Ring werfen kann.
Ich brauche nicht extra zu betonen, dass die Folgen für Schwäbisch Gmünd, das ohnehin schon deutlich von den Auswirkungen der Transformation betroffen ist, gravierend sind. Es bedeutet für die Stadt nicht nur den Verlust von 241 Arbeitsplätzen und einem der in der Vergangenheit größten Gewerbesteuerzahler. Es bedeutet auch, dass auf einen Schlag 241 Schicksale damit verbunden sind – und noch mehr, wenn man die ebenfalls vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Familien einbezieht.
Die Stadtgemeinschaft Schwäbisch Gmünd wird sich dafür einsetzen, um das Management der Firma Schleich zu einem Umdenken zu bewegen. Als Abgeordnete unseres Wahlkreises bitte ich Sie, uns in dieser Angelegenheit zu unterstützen und mit uns zusammen für den Standort Schwäbisch Gmünd aktiv zu werden."