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10. Oktober 2025
The Unicorns Made Me Do It
Schwäbisch Gmünd (sv). The Unicorns Made Me Do It(*) in der Galerie im Prediger in Schwäbisch Gmünd – einer Stadt, in der Geschichte in Legenden übergeht. Seit dem 13. Jahrhundert ziert ein Einhorn das Stadtwappen und trägt über die Zeiten hinweg seine Bedeutungen und Geschichten mit sich. Wie ein Märchen, das von Generation zu Generation flüsternd weitererzählt wird, ist es vertraut und doch ein Rätsel, eine Spur geteilter Erinnerung und ein Symbol für das, was im Verborgenen liegt.
Inspiriert von diesem magischen Zeichen, erkunden sieben internationale Studierende aus dem Masterprogramm M.F.A. Körper, Theorie und Poetik des Performativen an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Märchen als fantasievolles Gerüst, um Erinnertes, Träume und Vorstellungen in die Gegenwart zu bringen. Sie sammeln Erinnerungsfragmente, Geschichten sowie Materialien und bilden daraus Räume, in denen das Ephemere auf das Symbolische trifft. Die Besucher:innen sind eingeladen, Mythen, Gesten und Erinnerungen als etwas Greifbares und doch Flüchtiges zu erfahren; auf der Suche nach Märchen, die noch nicht erzählt wurden.
(*) mein Land verlassen und nach Europa ziehen / Kunst schaffen / an den europäischen Traum glauben.
Die Ausstellung betrachtet Märchen nicht nur als literarische Gattungen, sondern als gemeinsame imaginative Sprachen, als Rahmen, durch die Erinnerungen, Träume und Fantasien neugestaltet und in die Gegenwart gebracht werden können. Märchen sind gleichzeitig strukturiert und flexibel. „Die konstanten und unveränderlichen Elemente des Märchens sind die Funktionen der handelnden Personen,” so bemerkt Vladimir Propp, „unabhängig davon, von wem oder wie sie ausgeführt werden.” Diese strukturelle Stabilität ermöglicht es, Erzählungen wiederzuerkennen, sich an sie zu erinnern und sie immer wieder neu zu interpretieren. Auf dieser Grundlage stimmen die Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung in den Prozess der Neuzusammenstellung von Fragmenten der Erinnerung, der Geschichte und des Materials ein, um imaginäre Räume zu schaffen, in denen das Vergängliche zu neuer Bedeutung zusammenfließt.
Über ihre formalen Strukturen hinaus dienen Märchen auch als Mittel, um sich mit menschlichen Ängsten, Sehnsüchten und Wandlungen auseinanderzusetzen. Nach Bruno Bettelheim kommen in Märchen „[...] die schweren inneren Spannungen des Kindes so zum Ausdruck, daß es diese unbewußt versteht; und ohne die heftigen inneren Kämpfe des Heranwachsens herunterzuspielen, bieten sie Beispiele dafür, wie bedrückende Schwierigkeiten vorübergehend oder dauerhaft gelöst werden können.” In den ausgestellten Werken werden Geschichten nicht nur einfach nacherzählt, sondern umgestaltet und neu erfunden, indem verblassende Erinnerungen in Gesten, Objekte und performative Handlungen übersetzt werden. Durch diesen Prozess setzen sich die Künstlerinnen und Künstler mit dem zarten Übergang zwischen Realität und Fantasie auseinander, lassen uns Ahnungen von schwer Fassbarem erhaschen.
Kulturell gesehen stellen Märchen lebendige Archive dar, die durch das Erzählen, die Weitergabe von Körper zu Körper und mediale Wechsel ständig neugestaltet werden. Wie Jack Zipes bemerkt, „waren Märchen schon immer von der mündlichen Überlieferung und der Literatur abhängig und haben sich im Übergang von einem Medium zum anderen stets verändert“. Marina Warner hingegen betont, dass sie „Aufbewahrungsorte der Vorstellungskraft sind, gefüllt mit symbolischen Handlungen und Verwandlungen, die die Erinnerung einer Kultur in sich tragen“. Indem sie diese Dynamik aufgreift, fördert die Ausstellung den Dialog über die Generationen hinweg und verwebt Fragmente des kollektiven Gedächtnisses, überlieferte Mythen und flüchtige Träume zu Subwelten, in denen Fantasie und Erinnerung nebeneinander existieren, in denen Geschichten greifbar werden, aber nie ganz abgeschlossen sind.
Die Ausstellung wird bis Sonntag, 23. November in der Galerie im Prediger zu sehen sein.
Begleitprogramm der Ausstellung:
- Vernissage am Freitag, 10. Oktober, 18 Uhr mit Performances von Ceren Okumuş, Bilge Dursun und Luciano Mazzo und Reden von Oberbürgermeister Richard Arnold, Dr. Max Tillmann, Leiter Museum im Prediger und Linnea Streit, Kuratorin der Ausstellung
- After Work Führung mit Kuratorin Linnea Streit am Donnerstag, 13. November, 19 Uhr
- Performance von Lem TragNguyen am Sonntag, 16. November, 16.30 Uhr
- Finissage mit Performances von EunChae Kim, Paul Steggemann und Luciano Mazzo am Samstag, 22. November, 18 Uhr
- Lesung des Gmünder Autorenkreis am Sonntag, 23. November, 15 Uhr