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23. Mai 2025
Wish you were queer

Schwäbisch Gmünd (sv). Die Ausstellung „Wish you were queer“ im Museum im Prediger nimmt Selbstbild und Wahrnehmung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen durch die Jahrhunderte in den Blick. Sie zeigt insbesondere, wie sehr die Aufstände 1969 in der Christopher Street in New York einen Wendepunkt in ihrer Sichtbarkeit darstellten. Diese tagelangen Aufstände, als sich rund um die Bar „Stonewall Inn“ erstmals queere Menschen gegen die Razzien gewalttätiger Polizisten wehrten, markierten den Beginn eines umfassenden Emanzipationskampfes und führten weltweit zu steigendem Selbstvertrauen. Im Gedenken an die Aufstände fanden bald jährlich Pride-Demonstrationen gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte statt.
Eröffnung der Ausstellung "Wish you were queer" am Samstag, 24. Mai, 17 Uhr, im Kulturzentrum Prediger, Festsaal. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind herzlich dazu eingeladen.
Mit Werken von Daniel von Alkier, Patrick Angus, Hans Baldung Grien, Norbert Bisky, Donatello, Kerstin Drechsel, Rainer Fetting, Tom of Finland, Isabelle Hannemann, Rinaldo Hopf, Dylan Hurwitz, Martin E. Kautter, Lotte Laserstein, Emanuel Leutze, Jeanne Mammen, Marga van den Meydenberg, Aron Neubert, Jens Pecho, Gerhard Pohl, Hannah Römer, Helmut Röttgen, Christian Schad, Herbert Rolf Schlegel, Lene Schneider-Kainer, Daniel Schumann, Logan T. Sibrel, Lukas Städler, Hannes Steinert und Jürgen Wittdorf
Ein Gemeinschaftsprojekt von Museum im Prediger, Stadtarchiv, Stabsstelle für Chancengleichheit und VHS Schwäbisch Gmünd.
Hintergründe zur Ausstellung
Bis in jüngste Zeiten waren Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle in der Öffentlichkeit unsichtbar, konnten sich nicht offen als diejenigen zeigen, die sie waren, ohne gesellschaftliche Ächtung, juristische Verfolgung oder Schlimmeres zu riskieren. In manchen geschichtlichen Epochen konnte das Gesehenwerden tödlich sein. Viele waren daher zu Selbstverleugnung oder Heimlichkeit gezwungen.
„Diese Unsichtbarkeit“, sagt stellvertretender Museumsleiter Dr. Martin Weinzettl, „ist ein charakteristischer Aspekt queerer Kunst und Geschichte.“ Der Zwang zum Verstecken brachte es mit sich, dass „Beweise“ sowohl bildlicher als auch textlicher Art entweder vernichtet oder in Codes und bewusst konstruierte Deutungsmuster verpackt wurden. „Die Ausstellung ‚Wish you were queer‘“, so erklärt er den Titel, „will genau dieses Dechiffrieren, das Queer-Lesen historischer Quellen und Kunst fördern.“
Die Ausstellung zeigt aber vor allem auch, wie exponentiell die Sichtbarkeit in den letzten 50 Jahren zugenommen hat und erklärt die Gründe hierfür. Denn das Jahr 1969 markierte einen Wendepunkt für diese Un-Sichtbarkeit – im internationalen Kontext als das Jahr der Stonewall-Unruhen, der Geburtsstunde der homosexuellen Befreiungsbewegung; in der Bundesrepublik als das Jahr der Liberalisierung des § 175 StGB, die es schwulen Männern erstmals möglich machte, sich offen zu zeigen, ohne Gefängnis befürchten zu müssen. Das war ein Befreiungsschlag, der es erleichterte, Isolation zu durchbrechen und Zugehörigkeit zu finden. Die sich anschließenden jahrzehntelangen Kämpfe haben weltweit in unterschiedlicher Intensität zu Akzeptanz und Gleichstellung geführt.
Ausstellungskapitel
Im Überblick: Die im Ausstellungsbereich „Kunst“ versammelten Kunstwerke vom Mittelalter bis heute zeigen den stark schwankenden Grad der Sichtbarkeit von LSBTI* im Bild an. Ihre Betrachtung soll ermutigen, die Codes gleich-geschlechtlichen Begehrens zu dechiffrieren und in den Bildern nach der sexuellen, romantischen und geschlechtlichen Vielfalt zu suchen. Erst nach und nach fand die gesamte Bandbreite queerer Lebenswelten Eingang in die Bildkünste, auch der Alltag von LSBTI* wurde darstellungswürdig.
Die Sichtbarkeit, auch in der Kunst, ist jedoch stark von den geschichtlichen Entwicklungen abhängig. Auf diese fokussiert der Ausstellungsbereich „Geschichte“ entlang von Biographien aus der Region. Queere Gmünderinnen und Gmünder werden vorgestellt, ihre Situation und ihre Lebenswelten. Lokale Emanzipation von LSBTI* ist ohne weltweite Vorbilder und deren Sichtbarkeit nicht denkbar.
Geschichtswerkstatt „Einhorn sucht Regenbogen“
Unter Trägerschaft der Projektpartner und mit finanzieller Unterstützung der Partnerschaft für Demokratie Ostalbkreis sowie des Landes Baden-Württemberg hat die 2022 gegründete Geschichtswerkstatt „Einhorn sucht Regenbogen“ queere Biografien und Erinnerungsorte recherchiert. „Stadtgeschichte ist spannend – vor allem dort, wo sie noch nicht erzählt wurde, abseits der heterosexuellen Norm oder dem traditionellen ‚Mann/Frau‘-Leitmuster,“ so Arnd Kolb, Projektleiter der Geschichtswerkstatt.
Gemeinsam haben die Mitglieder der Geschichtswerkstatt eine Lücke in der lokalen Erinnerungskultur geschlossen und erstmals das queere Leben in Schwäbisch Gmünd systematisch dokumentiert. Durch Interviews mit Zeitzeug:innen, umfangreiche Archivrecherchen und die Sammlung von Fotos, Dokumenten und persönlichen Erinnerungen ist ein facettenreiches Mosaik entstanden, das Vielfalt in der Geschichte sichtbar macht.
Eine Besonderheit stellt die UnSichtbarkeit lesbischer Geschichte dar. Während männliche Homosexualität lange Zeit unter Strafe gestellt war – und damit über Polizei- und Prozessakten aufspürbar – existieren zu lesbischem Leben kaum Quellen. „Lesben sind paradoxerweise gleichzeitig sichtbar und unsichtbar ebenso wie ihre Kunst, ihre Geschichte, ihre Literatur – es ist alles da – manches mag noch verborgen sein und bleiben,“ stellte Elke Heer, Beauftragte für Chancengleichheit bei der Stadt Schwäbisch Gmünd fest.
„Wir müssen gemeinsam genau hinschauen, forschen, Leerstellen hinnehmen oder mit Mut, Fantasie und Empathie füllen!“
Am Freitag, den 27. Juni, findet im Innenhof des Predigers um 19 Uhr die Abschlussveranstaltung der Geschichtswerkstatt statt. Außerdem wurden die Erkenntnisse auf einer eigenen Website dokumentiert und fließen in den Begleitband zur Ausstellungskooperation ein.
Begleitband
Im Rahmen des Kooperationsprojekts erscheint ein Begleitband, der am 14. Juli, um 19 Uhr, im Innenhof des Predigers vorgestellt wird. Die Publikation „Aus dem Schatten in die Geschichte: Lebenswelten von LSBTI* in Schwäbisch Gmünd“ umfasst einen Katalog der in der Ausstellung gezeigten Kunstwerke sowie wissenschaftliche Beiträge mit kunstgeschichtlichen (Dr. Martin Weinzettl) sowie lokalhistorischen Aspekten (Dr. Niklas Konzen, Arnd Kolb, Elke Heer, Jennifer Adami und Peter Palm), die auf ausgewählten Themen der Geschichtswerkstatt „Einhorn sucht Regenbogen“ aufbauen.
„Mit dem Band wird ein Thema der Stadtgeschichte aus dem Schatten der Heimlichkeit ins Licht der Geschichte gerückt, das für Schwäbisch Gmünd und seine Umgebung bisher noch nie in der Forschungsliteratur sichtbar geworden ist“, erklärt der Leiter des Stadtarchivs Dr. Niklas Konzen. Viele Lesben, Schwule, Bisexuelle, Intersexuelle, Transgender und Nonbinäre sahen sich bis in die jüngste zu Geheimhaltung und Verstellung gezwungen – ein Leitmotiv, das sich wie ein roter Faden durch die lokalgeschichtlichen Beiträge dieses Bandes zieht. Es zeigt sich etwa in der Hochstaplerkarriere von Eva Barbierer alias Adam Portner, einer als Frau geborenen Person, die nach jahrelanger Hochstaplerkarriere in Männerrolle 1565 in Nördlingen als Mann hingerichtet wurde, oder in der chiffrierten Kommunikation des „Kreises der Freunde“, eines Netzwerks schwuler Männer im ländlichen Ostwürttemberg, das 1925 durch die Polizei aufgedeckt wurde. Auch jüngere Entwicklungen wie die „Homosexuellen-Initiative Schwäbisch Gmünd“ (HIS) oder die Situation im Frauenfußball, wo ein Outing bis heute für die Betroffenen weniger Risiken mit sich bringt als bei den Männern, werden thematisiert.
Rahmenprogramm
Die Ausstellung wird begleitet von einem umfassenden Rahmenprogramm, nicht nur im Prediger, sondern auch im Stadtraum und insbesondere mit zahlreichen Veranstaltungen der Gmünder Volkshochschule. So fasst Ingrid Hofmann, Direktorin der Gmünder VHS zusammen: „Ich freue mich sehr, dass wir zu Ausstellung ein buntes, umfassende Rahmenprogramm präsentieren dürfen, an dem zahlreiche Gmünder Einrichtungen mitgewirkt haben: Studierende der HfG gestalten Exponate für eine queere Aktionswoche, die Stadtbibliothek präsentiert Medien zum Pride Month Juni, ein Stadtrundgang, entwickelt von der Gmünder Geschichtswerkstatt begibt sich auf die Spuren lokaler LSBTI-Geschichte, das Brazil-Kino zeigt queere Filme, Niklas Konzen stellt zwei tragische Schicksale vor, denen er im Stadtarchiv auf die Spur kam, Dr. Gabriele Theurer, Religionspädagogin an der PH, zeigt die Vielfalt biblischer Gottesvorstellungen auf und etliche reichbebilderte Vorträge befassen sich mit der Vielfalt geschlechtlicher Identitäten in der Kunstgeschichte – von der Antike bis in die Gegenwart. Mit der Vielfalt und Wandelbarkeit von Identität befasst sich auch ein Vormittagsseminar von Dr. Nowak, bei einem Philosophischen Café am Abend steht das Streitthema „Gendersprache“ im Fokus. Ein spezielles Angebot ist der Fotowettbeerb „Queerformat“ der JKS, der junge und junggebliebene Menschen einlädt, sich fotografisch mit der Vielfalt von Identitäten auseinanderzusetzen. Es winken attraktive Preise und die Möglichkeit, dass das eigene Bild Teil der Ausstellung wird.“
Weiterer Höhepunkt ist eine Talkrunde im September 2025 unter anderem mit dem Berliner Maler Norbert Bisky über Sichtbarkeit von LSBTI* in der zeitgenössischen Kunst. Details zum stadtweiten Rahmenprogramm und die genauen Termine sind dem gesonderten Programmflyer zu entnehmen.
Weitere Informationen gibt das Museum und Galerie im Prediger, Johannisplatz 3, 73525 Schwäbisch Gmünd, Telefon: 07171/603-4130, Internet: www.museum-galerie-fabrik.de.